#41

Liebe Maike,
wieder ist es ganz präsent, dass „nicht alleine sein-Gefühl“. Eben auch beim Fühlen nicht allein zu sein. Wertvoller denn je in Zeiten des „wir müssen auf Abstand“. Deutlich wird mir der Abstand bezieht sich auf das Körperliche. Sich auf andere Art und Weise mit Menschen zu verbinden, ist wertvoller als jemals zuvor. Mit dir geht das so wunderbar und darauf mag ich auch keinesfalls verzichten. Ich sehe übrigens täglich unser beider Visagen im Fenster im Onkel Emma. Also surreal ist es für mich nicht. Manchmal ist es seltsam und ich halte uns beide für bescheuert. Ganz oft ist aber einfach normal. Als wäre es nie anders gewesen. Das finde ich dann wiederum strange. Und bei „als echte Personen im Fenster“ sehe ich uns beide da stehend. Wartend auf das was passiert.

#42

Liebe Melanie, warten?

Gut, dass Du das anschneidest. Da scheiden sich bei mir sämtliche Geister. Schmal ist der Grat zwischen der Hölle der Untätigkeit und der Zeit, die es eben braucht. Lang ist die Balancestange auf diesem Pfad, groß meine ewige Beirrtheit und himmelhochseufzend die Einsicht, dass Gras nicht schneller wächst, wenn man dran zieht. Jedes Mal. Aber es ist ja schon so viel besser geworden. Mittlerweile komm ich in ein Alter, im dem Gelassenheit sich fast von allein ergibt. Ohne viel dran ziehen. So als Kenngröße. Als KPI des Reifens. Obwohl der Selbstbeschiss da auch nicht lange auf sich warten lässt und sich wunderbar auf dem Grate wohl zwischen Starrsinn und Gleichgültigkeit tanzen ließe. Wir werden aus meiner Sicht nicht drum herum kommen, weitere Untersuchungen anzustellen.

#43

Liebe Maike,
schon besser geworden! Da fang ich doch an herzhaft zu lachen. Schön. Vielleicht könnte das ein Teil unserer weiteren Untersuchungen sein. Was ist jetzt genau besser geworden? Heute ist so´n Tag da fühl ich mich wie immer. Und wie immer heißt in dem Fall, dass ich ein gewisses gehetzt sein verspüre. Nicht negativ! Im Gegenteil! Alles fängt an sich zu bewegen, es wird lebendiger da draußen und das ist toll. Die Zahl der Mitmachenden scheint kontinuierlich zu steigen und mein Hirn kommt bei all dem Input und den Kontakten anders in Wallung. Wie switch ich im Hirn noch mal um? Plötzlich sind da so viele unterschiedliche Themen gleichzeitig, die sich freuen (endlich) bearbeitet zu werden und raus wollen. Puh, wo mach ich weiter?

Egal – erstmal schaukeln!

#44

Liebe Melanie,

warst Du es nicht, die immer mal wieder sagt, dass es sich lohnt, die Dinge einfach mal anders zu machen, um zu sehen, was passiert, wenn man die alten Muster eben genau nicht bedient? Vielleicht wäre es ein interessanter Impuls, nicht genau zu wissen, wie das Umschalten im Hirn funktioniert. Vielleicht ist zur Abwechslung dran, mal davon abzulassen, danach zu suchen. Abseitig dessen genieße ich aber auch, wenn sich etwas bewegen lässt. Wenn wir ohne größeren Kraftaufwand was ankurbeln. Ermüdend bisweilen, dass es manchen Menschen in meinem Umfeld an Vertrauen in sich, andere und das Universum mangelt. Es gibt ja Menschen, die an diesem Punkt die Parallele zu gekoppelten Pendeln ziehen. Die im Kontakt übernommene Schwingung würde man demnach über kurz oder lang ohnehin wieder an den Impulsgeber zurücktransferieren. Lauf der Dinge. Darfschein zum geschmeidig bleiben.

#45

Liebe Maike,

danke für´s Erinnern. Ja, ich war es und mit deiner Erwähnung rattert mein Hirn prompt weniger und nicht nur mein Hirn wird geschmeidiger, auch mein Körper relaxed ungemein. Ich schätze die aktuellen tropischen Verhältnisse tun das Übrige dazu. Ich fürchte ich habe ich mich heute bereits an anderer Stelle „leer“ geschrieben. Erwähnte ich jemals, dass ich damals 1418 nach der 10 von der Realschule zum Gymnasium wechselte. Na gut, 1991, um genau zu bleiben und das ist 2021 eben genau 30 Jahre her. Meine damalige Klassenlehrerin animierte mich, das Projekt Klassentreffen mal in Angriff zu nehmen und so befinde ich mich gerade auf der Suche nach meinen ehemaligen Mitschüler*innen und finde ganz viel. Viele Bilder die plötzlich wieder aufploppen vor meinem geistigen Auge. Teile meiner Erinnerungen erwachen, das finde ich gerade ganz spannend und das geschieht ohne größeren Kraftaufwand. Eine Bewegung, die ich gerade auch sehr genieße und fündig bin ich auch schon geworden. Im Kontakt erfahre ich eine angenehme Leichtigkeit und auch eine nach all den Jahren für mich überraschende Vertrautheit. Angenehme Schwingungen die ich erlebe.

#46

Liebe Melanie,

jemand jenseits der 70 sagte mal zu mir, dass es in unserem Alter langsam schwierig werde, jemals wieder dieses Maß an Vertrautheit mit seinem Umfeld zu erreichen, wie er es in jungen Jahren erlebt habe. Die Menschen, mit denen ich in der Schule jeden Tag zusammen kam, würde ich in den seltensten Fällen als meine Freunde bezeichnen. Weder sind sie in den letzten 25 Jahren wirklich mit mir durch dick und dünn gegangen, noch waren sie in irgendeiner Form präsent, noch hat es mich nach Austausch gedürstet, noch hätte mich jemand wirklich gebraucht. Sie haben die kleinen Schritte, die sich manchmal so riesig anfühlen, nicht hautnah miterlebt, sie wissen nichts über mein Zaudern und Hadern, meine Umwege und Entscheidungen. Und über die großen Umwälzungen vielleicht ganz am Rande. Und ich weiss auch nichts über sie. Dennoch werden wir uns sehen und denken: Hat sich auch gar nicht verändert. Das ist für mich ein ganz abgefahrenes Phänomen. Notiz: Chance nutzen und auf jeden Fall auf die Beantwortung der Frage pochen, was Dich in den Augen der anderen zu Melanie macht. Wenn ich an den besagten 70jährigen denke, rutscht mir automatisch eine Frage aus der Kategorie "Wie ich sterben will" in den Fokus: Wie kann es mir gelingen, den Grundstein für diese Art von vertraut sein bis ins hohe Alter zu legen.

#47

Liebe Maike,
bevor ich´s vergesse: Ich habe die Frage „was mich in den Augen der anderen zu Melanie macht“ in die zurzeit noch recht kleine Revival-Gruppe gegeben und werde, sollte ich eine Antwort auf diese Frage erhalten, dir diese nicht vorenthalten. Eine verdammt schwierige Frage nach knapp 30 Jahren und eben diesem sich nicht kennen. Auch wenn das Gefühl des Vertrauens mitunter was anderes suggeriert. Jetzt häng an dem „Wie will ich sterben?“ Noch nicht, da bin ich mir verdammt sicher. Ich möchte doch noch zu gern dem Vertrauen auf die Schliche und natürlich nicht nur dem kommen. Apropos! Einen solchen Grundstein haben wir 2 aus meiner Sicht gelegt. Worin oder woraus besteht der Stein? Wie ist es uns gelungen, ein derartiges Vertrauen zu und mit und für einander zu entwickeln? So tief sitzend, dass es mit egal ist, das im Grunde zig Tausende mitlesen können. Genauso egal wie, dass meine Nase immer im Fenster des Onkel Emma zu sehen ist.

#48

Liebe Melanie,

ich habe schon den ganzen Tag über diesen Grundstein nachgedacht. Und dazu fällt mir immer wieder die Szene ein, wie wir uns vor fast 14 Jahren auf ner Party im Nexus hochelektrisiert in die Arme gefallen waren, weil es uns zusammengeführt hatte. Dabei kannten wir uns doch in Wahrheit gar nicht. Das böse Erwachen sollte ja erst noch folgen. Kleiner Scherz. Diese spontanen Verzückungen gibts ja immer mal wieder und die vergehen auch wieder. Aber wir sind uns im weiteren Verlauf nicht aus dem Weg gegangen, auch wenn wir einander unbequem waren. Im Gegenteil. Wir sind uns ordentlich auf den Sack gegangen. Ja, man könnte fast sagen, dass wir uns einander zugemutet haben. Und warum? Und jetzt die aber auch wirklich einzige Parallele zur Schulzeit: Weil wir es mussten. Wir hatten keine Wahl. Ist das nicht verrückt? Ich hör schon die ganzen Schlaumeier. Man habe ja immer eine Wahl. Ja, nee. Genau nicht. Bei lebensentscheidenden Dingen genau eben nicht.

#49

Ha, das Bild im Nexus habe ich ganz klar vor Augen, liebe Maike. Stimmt wir können uns gehörig aufm Sack gehen und haben einander zugemutet, wo andere meinten warum macht ihr das? Eine durchaus berechtigte Frage, sollte man mal das Vergnügen gehabt haben und uns 2 im unbequemen miteinander erlebt haben. Weil wir es können! Man könnte meinen auch ich scherze, aber nein das tue ich nicht. Und ja, wir hatten dabei auch keine Wahl. Und jetzt? Bin ich fies und mache an dieser Stelle einen Cut. #unszumutbarkeiten 49. Du noch mal? Dann machen wir die 50 samt Fotos im Onkel Emma morgen voll und haben die Wahl! Nämlich die des auf welchen Kanal machen wir hiermit weiter. Aufhören ist wieder keine Wahl.

#50

Fies, liebe Melanie? Nö. Berechtigt. Im Onkel Emma fährt der Betrieb langsam wieder hoch und wir sollten den Raum dafür freimachen. Finde ich auch. Nichtsdestotrotz gefällt mir die Idee unseres täglichen Austauschs. Hat mir schon immer. Ich denke da gerade an die Inszenierung von "Das immerwährende Eis der Sonne", die  Peter, Roberta und ich vor guten 12 Jahren über vlog-posts auf blogspot angestoßen haben. Wir beide machen mal fröhlich miteinander weiter. Wer weiss, was draus wird.

So. Und nun ma konkreter. Wir hatten vor etlicher Zeit (auch schon wieder 5 Jahre her) eine im Grunde auf unseren Talenten basierende Geschäftsidee. Wir hatten sogar eine Landing Page erstellt und ein erstes Dienstleistungsprodukt gestrickt. Witzig, ne, dass wir gerade Arbeitskolleg*innen sind, oder?

 

Ich schlage vor, ich gebe alles, um da ins Backend zu gelangen und dann beleben wir ab morgen diese Plattform als gläsernes ergebnisoffenes Work-in-Progress-Erlebnis. Du kannst mir hier nicht mehr antworten, aber morgen dort: www.klugegoeren.de. Das wird super.

#51

Liebe Maike,
ich sehe gerade und freue mich. Du bist drin! Hervorragend. Na dann machen wir mal fröhlich weiter. Das birgt ja jetzt wieder neue Möglichkeiten. Ratter on! Ohne nur Ansatzweise in dem Moment eine Vorstellung davon zu haben, was wir damit anfangen, tippe ich diese Zeilen mit der Gewissheit, es wird ein wundervolles Erleben. Danke :*

#52

Liebe Melanie,

wir erleben, glaube ich, den Zauber, der jedem Anfang inne wohnt. Bisher assoziierte ich mit dieser proklamierten Magie immer etwas Grundheiliges. Und stellte mir vor, dass es mindestens Gänsehaut geben müsste, um das Soll nach hinreichend Wunderfähigkeit und Demut dem Anfang gegenüber erfüllt zu haben. Grins... Was das perfekt sein wollen manchmal für absurde Anspruchshaltungen erzeugt. Auf meinen heutigen Stresslevel bezogen, vermute ich, dass der Zauber durchaus darin bestehen könnte, dass er im Gegensatz zur Betriebsblindheit klar offenbart, was da ist. Bei mir heute: Furcht davor, erneut ein Projekt auf dieser Seite zu beginnen und vor den Augen aller zu verkacken. Oder irgendetwas komplett Belangloses abzuliefern. (Auch geil! Na und ...?) Am schlimmsten:  Etwas, das uns beide erstarren lässt, statt weiter ins Fließen zu bewegen. Diese Furcht lässt mir das Kopfgewicht "Vergeblichkeit" wuchern.

#53

Liebe Maike,

ich weiß, als ich gestern erstmals deine Zeilen aus #52 las, triggerte mich sofort das Verkacken an und ich dachte mal wieder: „OMG wir sind so bescheuert.“ Heute bin ich einfach so entspannt platt. Kein Gefühl des Getrieben-seins, keine innere Unruhe. Alles im Gegenteil. Das fühlt sich gerade so großartig an. So intensiv, dass ich aus diesem Gefühl heraus gerade die ganze Welt umarmen möchte. Also gar nichts mehr von „verkacken vor den Augen aller“. Nach diesem entspannten platt sein habe ich mich in den letzten 3 Monaten wirklich gesehnt. Zufrieden, glücklich, langsam. Meine Bewegungen sowohl körperlicher als auch geistiger Art in der Selbstwahrnehmung laufen in Slow Motion ab. Diese Mische fühlt sich so genial gut an und ich denke, ich weiß, warum dies plötzlich wieder möglich ist. Ich hatte gestern das Vergnügen und durfte in die Augen vieler glücklicher und fröhlicher Menschen blicken. Mein erstes Konzert (klingt als wäre ich wieder Teenager – was wiederum zu meinem Projekt Klassentreffen 2021 passt. :-D), meine erste Begegnung mit vielen Menschen vor und auch mittendrin in einer schönen Kulisse und das gefühlt wirklich zum aller ersten Mal. Zum ersten Mal ist so absurd und dann denke ich, eben nicht. Die Monate des absoluten Lockdowns waren einfach eine krass einschneidende und vor allem noch nie dagewesene Situation. Die, wie bei allem Neuen erstmal das Erlernen des Umgangs damit voraussetzt und das ist einfach scheiße anstrengend. Und das gestern war so vertraut und so schön und so leicht. Da ist es wieder: Vertraut sein! Vertraut ist mir auch das Fitnessstudio und da begebe ich mich jetzt hin, um mir selbst das Gefühl zu vermitteln, ich habe heut was geschafft. Denn für alles andere was ich so auf meiner To-Do- lesen kann, habe ich heut definitiv nicht die Muße. Und überhaupt: warum ist schon wieder Sonntag? Ich könnte gut noch einen weiteren Tag mit diesem „entspannt platt“ gebrauchen, um Energie wieder anders aufzufüllen. Schönen Sonntag

#54

Liebe Melanie,

die Wogen der gestrigen Nacht und des heutigen Vormittags haben sich geglättet. Mein Mann und ich waren uns nach längerer Phase des nebeneinander herwurschtelns mal wieder emotional und mit Lust begegnet. Ich war unfassbar traurig, als ich fühlte, wie sehr ich unser gemeinsames Sein derzeit entbehre. In den Schlaf geweint, den Vormittag über mit Fühlen verbracht, heute mittag konnten wir miteinander sprechen. Ergebnis: wir vermissen uns. Es tut gut, dies zu hören. Und wir hatten beide nicht auf dem Schirm, dass wir emotional dicht machen, um einem eventuellen Verlustgefühl zuvor zu kommen. Die totale Milchmädchenrechnung. Noch was wichtiges erkannt im Gespräch: Um emotionale Anbindung (denn die tut zu weh, wenn sie nicht erwidert wird) zu unterbrechen, fahre ich hartes Geschütz auf: Ich meuchle die Liebe mit Verachtung. Autsch. Ganz schön grausam, oder?

#55

Grausam? Ja, liebe Maike und gleichzeitig auch so menschlich. In einem Buch, was ich kürzlich geschenkt bekommen habe, geht es um die metaphysische Bedeutung zahlreicher Gesundheitsprobleme und darin konnte ich noch mal mit anderen Worten lesen, warum wir was tun wir wie es tun. Da heißt es: „Aus diesen Erinnerungen hast du Schlüsse gezogen, die in der Folge zu Überzeugungen wurden. Diese versuchen nun dir weiteres Leid zu ersparen bzw. Glückserfahrungen zu wiederholen.“ Wir beide sind sehr reflektiert und wissen doch sehr wohl über uns und unser geprägt sein bescheid. Das kann ich locker behaupten. Für mich finde ich das gerade sehr krass, wie meine Themen, auch die, bei denen ich dachte, das Thema und ich sind fein, in dieser Pandemie-Zeit wieder aufploppen und sich in einem anderen Gewand zeigen. So sehr, dass ich es körperlich zu spüren bekomme. Anstrengend, denn scheinbar funktionieren meine bisherigen Strategien, dem zu begegnen nur schwerlich. Es macht mich sauer und ich bin heut wirklich agro unterwegs. Bin so wenig tolerant und diplomatisch und denke dabei plötzlich: Vielleicht ist aber auch genau das was jetzt mal dran ist beim anders machen. Bin ich es leid immer die Diplomatische zu sein oder bin ich es gar gar nicht?

#56

Liebe Melanie,

so ein wunderbarer Konflikt, der sich dazu aus Deiner Sicht dann auch noch auf der Identitätsebene abspielt. Das macht mich grundskeptisch. Will sagen: Vielleicht gibt es noch mehr Mitspieler in diesem inneren Parlament, die von sich ablenken wollen, indem sie Dir vorgaukeln, es ginge hier um nichts geringeres als die Frage, wer du in Wahrheit bist: eine Diplomatin? Eine Intolerante? Also ich würde Dich schon mal ne Weile damit beschäftigen, damit Du nicht nach mir suchst. Welches Thema hätte also berechtigtes Interesse, vorerst unerkannt im Schatten zu bleiben? Um erstmal Schwung in das Gefüge zu bringen, ist es aber bestimmt interessant zu erfahren, welche positive Absicht die Intolerante verfolgt und woran die Diplomatin Euch hindert. Shake it, shake it, shake it, shake it, Baaabeeee. Tanz den Totengräber. Und jetzt zu meiner Rolle in Deiner Geschichte: Da ist sie wieder, diese innere kreative Ruhe, wenn es um Konflikte anderer Parteien geht. Ich wundere mich immer wieder, dass mich Szenarien, wie von Dir geschildert, antörnen. Da gibt es was grundlegend zu entwirren. Juchuh. Da wartet Klarheit und die darin liegende einfache Eleganz des Seins. Bei mir sind da Zuwenig gegen Zuviel innerlich im Klinsch. Ich könnte mir ja wesentlich mehr Menschen suchen, bei denen ich diese Leichtgängigkeit verspüre, denn ich vermisse sie und mich als rasiermesserscharfes Tool. Ich vermute, dass ich da wieder in einer vorweggenommenen Abschiedssituation hänge. Viel davon macht Lust auf mehr.

#57

Liebe Maike,
seit dem Bild des inneren Parlaments ertappe ich mich, wie ich beginne Sitzplätze zu verteilen und zu überlegen, ob das so passt. Also gerade? Mella-Doch, Mella-Immer, vom Körperlichen Empfinden schreit mein Schutzmann gerade am Lautesten. Und dennoch denke ich, die ganze Zeit: Wer fehlt? Ist es die Intolerante? Wenn ja, wo ist sie die ganze Zeit gewesen und was will sie mir ersparen? Die Diplomatin? Hindert sie? Möglich, kannst Du bitte noch mal anders fragen? Die Eleganz des Seins. Wie schön das klingt. Elegant würde ich mich jetzt grad nicht bezeichnen, zu sehr bin ich gerade von Wut und Enttäuschung eingenommen. Also Wut und spontan nicht dahinter zu kommen, was mich jetzt genau wütend macht, machts nicht besser. Also dreimal tiefdurchatmen und mir für den Moment erst einmal sagen: Es ist okay, Melanie du darfst wütend sein. Lustig und spannend zu gleich, denn Mella-Doch ist es nicht. Die Intolerante? 
Schön übrigens, dass ich dich antörne :-D Da mach ich doch mal weiter. In diesem Buch in Sachen metaphysische Bedeutung ist zum Thema Gelenkkrams u.a. zu lesen - so sinngemäß: Deine Probleme mit den Gelenken könnten bedeuten, dass es dir schwer fällt , dich mitzuteilen oder Entscheidungen zu treffen. Du hast es satt und keinen Bock mehr, aktiv in den Lauf der Dinge einzugreifen. Bei Gelenkversteifung heißt es weiter: es mangelt an Flexibilität, besonders im Hinblick auf sich selbst. Hier das spannende: Welches Körperteil ist betroffen und damit welcher Bereich hat die unflexible Haltung inne. Vielleicht ein Ansatz dem inneren Klinsch weiter auf die Schliche zu kommen.

#58

Liebe Melanie,

aktiv in den Lauf der Dinge eingreifen, ich glaube von mir, dass ich das noch nicht gemeistert habe. In jedem "geschehen lassen" liegt viel Passivität, aber jede Passivität beinhaltet aus meiner Sicht ein Maximum an innerer Flexibilität. Du musst dich dann auf Teufel komm raus eben anpassen. Und das gelingt mir vielfach aus dem Effeff. Was jetzt tatsächlich aber dran ist, ist mal wieder eine grundlegende Emanzipation. Deswegen bin ich unter anderem hier. Ganz im Woolfschen Geiste eines Room of one's own.

Ich beobachte beispielsweise, dass ich meiner Familie Handlungsempfehlungen für deren weiteres Vorgehen erteile, damit deren Bedürfnisse nach satt, sauber, liebevollem Kontakt untereinander und miteinander Spaß haben erfüllt sind, damit ich hier in Ruhe schreiben kann. Sie sehen von allein nicht so schnell wie ich, was dran ist, damit auch meine Bedürfnisse erfüllt werden. Ich denke sie mit, mein Eindruck ist, sie denken mich nicht mit. Im Grunde will ich aber nicht zuständig sein. Und darin kann ich ziemlich passiv sein. Was mich beschäftigt, ist, dass ich mir diesen Raum überhaupt auf täglicher Basis neu schaffen muss und er mir nicht einfach so zur Verfügung steht. Ich bin gezwungen, List und Tücke anzuwenden, die sich mir bietenden Chancen adhoc zu ergreifen und auf jeden Fall mit Charme zu agieren. Auf keinen Fall darf ich bestimmt oder gar genervt davon sein, dass mein Raum immer noch nicht selbstverständlich ist. Denn das katapultiert mich zurück auf Anfang und ich gehe nicht über Los. Lande möglicherweise sogar im Ächz. Verliere meine Street-Cred und hinter mir schließt sich die mühsam von innen aufgeschobene Schublade, die ich gern als Freisitz genießen würde. Was immer dran zu sein hat, ist freundliche Beharrlichkeit. Und die against all odds. Ganz schön kacke (ach, welch Segen, hier darf ich die bösen Wörter mal rauslassen, die mein Kind nicht lernen soll!) in der Gesamtbilanz, wenn ich jetzt den Filter "Emanzipation" drüber laufen lasse.

Was mich auf diesem Wege direkt nochmal zu der Frage führt, welche positive Absicht die Diplomatin verfolgt, wenn sie Dir was untersagt. Everybody love some bodies sometimes.

#59

Liebe Maike, 

ich schreibe die Zeilen diesmal in der Bodetal Therme entspannt im Schatten auf einer Liege sitzend, mit nem Kaffee aufm Schoß. Mein Glück scheint perfekt. Zumindest bin ich mir meines Privilegs bewusst, einen solchen Tag nach meinem Dünken gestalten zu können. Mit Emanzipation meinerseits hat das grad aus meiner Sicht nichts zu tun. Es ist vielmehr meinem Single Dasein geschuldet und wie mir die Emanzipation in einer Beziehung gelingt, darüber mag ich grad nicht nachdenken. Bei deinen Schilderungen von deinem Raum nehmen müssen hab ich spontan eher die nicht so positive Absicht der Diplomatin auf m Schirm. Sie nimmt mir Raum. Und wenn ich dann drüber nachdenke warum dann hab ich einen Anflug von ‚der Harmonie wegen’. Und wenn ich mich selbst dann Frage, warum Harmonie so wichtig ist, denke ich jetzt in dem Moment puh, anstrengend, nichts worüber du jetzt intensiv nachdenken musst. 

Noch mal zum Thema Raum, anders aber. Ich finds so cool, dass die Anzahl der Personen in den verschiedenen Saunen begrenzt ist. Es würde dir auch gefallen. Zu zweit im Dampfbad und mehr Menschen nicht. Was mich wiederum zur Frage kommen lässt: Wasn nu mit Urlaub?

#60

Liebe Melanie,

 

Urlaub ja. Am liebsten mit dem Wohnmobil von Ort zu Ort und meinen uralten Traum füttern, für längere Zeit am Stück unterwegs zu sein. Entspannt woanders umsehen, wie es da so ist. Offene Sinne, mit Muße maximal den Horizont erweitern. In einen Reisealltag geraten. Ich habe auch immer noch nicht komplett ad acta gelegt, eines schönen Tages aufzubrechen, um bis auf weiteres erstmal die Welt zu begucken.

Aus Deinen Zeilen lese ich übrigens auch heraus, dass es doch irgendwie um die Verteilung von Raum geht. Sich Raum zu nehmen, ginge demnach damit einher, eventuell Harmonie einzubüßen. Und genau da liegt für mich der Hase im Pfeffer. Allein die Furcht davor erfüllt gefühlt die Bedingungen dafür, dass ein strukturelles Problem vorliegt. Nun denn, kannst ja meine Geschichte ja bei Gelegenheit mal als eine Metapher oder ein Symbol für etwas ganz anderes betrachten.