#101

100 Tage und nen bissl. Was treiben wir? Das ist eine gute Frage. Wir tauschen uns aus. Ungeniert – schamlos, so als wären wir unter uns. Nicht ungewöhnlich. Ich genieße den Austausch mit dir immer sehr. Das Ungewöhnliche! Da ist das Internet mit seinen unendlichen Weiten und ich frage mich sind wir wirklich unter uns? Nicht, dass das Wissen darum aus meiner Sicht was ändern würde. Reine Neugier! Neugierig bin ich nun mal auch. Und was, sollte jemand mitlesen, macht die Person damit und was macht es mit der Person? An Menschen im www: liest uns wer? Wenn ja, freu ich mich über Feedback ein kurzes Ja oder what ever per Email an info@klugegoeren.de

Das Rumgeeier! Ich weiss es grad nicht so genau. Eins allerdings weiß ich, das Kind und damit verbunden der andere Aktionsradius, wie du es nennst, hat nichts damit zu tun. Vielleicht haben wir drei einfach zu wenig darüber gesprochen, wie wir uns die uns gemeinsame (Urlaubs) Zeit vorstellen. Ich habe den Eindruck, dass wir an dieser Stelle unterschiedliche Ansichten haben und mangels geringer Kommunikation nicht überein kamen, so dass ein Rumgeeier das Ergebnis war. Das so erstmal. Ich merke, dass ich mit meiner Ankunft in Duisburg dann wieder in einem gefühlten anderen Kosmos angekommen bin und hier sehr in Beschlag genommen. Was okay ist, ich lasse mich ja in Beschlag nehmen, möchte ich dazu beitragen, dass wir meine Mama morgen nach Haus holen können und sie in einer „Wohlfühl-Oase“ ankommt und ich mich selbst nach Haus befördern kann. Mein Schwester und ich haben heut das neue Sofa aufgebaut. Glaub mir, kein Geschenk bei den Temperaturen. Vom Windhauch fehlt hier jede Spur. Ich werde mich jetzt in die Badewanne begeben. Ein kurzer Moment der Ruhe für mich. Euch wünsche ich einen schönen letzten Abend auf der Insel. Liebe Umarmung, Mel

#102

Mella, im Moment ist es zäh hier auf diesem Kanal. Vielleicht bin ich n Stück weit müde nach dem Urlaub, mich auseinander zu setzen. Mit uns auseinanderzusetzen. Wir haben über die Triggerpunkte des Urlaubs schon telefoniert. Was sind meine Erkenntnisse? Ich finde Klarheit gut. Warum? Weil ich dann auch Ruhe finden kann. Meinen Tanzbereich möchte ich gern unkompliziert halten. Ich ertapp mich immer wieder, dass ich versuche die Tanzbereiche der anderen aufzuräumen. Deren Klarheit verschafft mir ne Pause von meinem Zwang, für Klarheit sorgen zu wollen. Never ending circle.

Boa, apropos. Sitze in der heissen Badewanne. Hier geht gerade nicht mehr Hirnschmalz. 

Lieber Abendgruß, Maike

#103

Hey, Maike, mal so mitten am Tag geschrieben, nachdem ich einen halben Tag damit zugebracht habe irgendwelche Dinge zu erledigen – zu Hause sitzend. Müde, ja das kann ich nachempfinden. Ich weiß gar nicht, was es gerade bei mir ausmacht. Aufräumen, Sortieren, Ordnen all dies empfinde ich grad als mühselig. Hab kein Bock und weiß auch nicht was ich zukünftig (mit mir) anstellen soll. Von Klarheit weit entfernt. Dann denk ich: Ist auch gut so. Hab ja auch (noch) Urlaub. Das noch stört da😉 . Klingt endlich. Ist uns nicht auf der Insel ne Karte mit folgendem Inhalt begegnet: „Urlaub könnte ich auch hauptberuflich machen“? Stimmt auf jeden. Wie lange weiß ich allerdings nicht. Vielleicht sollten wir uns Urlaub von dem mit uns auseinandersetzen gönnen. Hier auf diesem Kanal. Ich denke, so ganz ohne Austausch in unseren Begegnungen können wir auch nicht. Vielleicht ist das ein neues „Experiment“ Das Üben in nicht auseinandersetzen. Vielleicht machen wir es zu ständig. Versteh mal richtig bitte. Vielleicht bedarf es hier Urlaub. Ich schreibe es und es klingt so dermaßen absurd. Was meinst du, liebe Maike.

#104

Liebe Melanie,

das Fernweh hat mich voll im Griff. Ich recherchiere nach mehrmonatigen Wohnmobilreisen nach Island, einer berufsbegleitenden Ausbildung zur Wildnis- oder eben halt Sexualpädagogin. Mir hat die SVeN Kampagnen Geschichte total Spaß gemacht. Arbeiten mit Menschen zu sensiblen Themen ist halt doch irgendwie mein Ding. Ritualisiert Übergänge begleiten passt auch. Dieses gottverdammte Suchen immerzu ist ja gar nicht das Schlimme. Das nie irgendwo dauerhaft Landen können ist das Kernthema irgendwie. Zumal sesshaft und heimisch definitiv was Unterschiedliches sind. Und unterwegs zu Hause was anderes als zu Hause unterwegs. Innerer Lachanfall im Koller-Keller. Harr-Harr. Heute hab ich endlich mal nen Termin fürs Floaten gemacht. Ich hatte zu Hause noch einen Gutschein gebunkert. Und eine Physiotherapeutin ausfindig gemacht. Die werde ich testen. Da warte ich auf Rückruf.

Hier übrigens: Ich war mal so eigenmächtig und habe die Fotoform verändert. Wenn ich schreib, gibts Bild von Dir. Wenn Du schreibst, gibts Bild von mir. Ok? Keine Böcke mehr auf Collage.

Was ist noch? Überraschend kam heute die Bestätigung der VHS, dass ich doch wieder montags zum Yoga gehen kann. Es ist aus dem Kurs wohl doch noch jemand abgesprungen. Jetzt Montag gehts los. Das finde ich echt großartig. Überhaupt, dass sich ab nächster Woche Dienstag unser Alltag allein schon dadurch entspannt, dass das Kindi bis Nachmittags bei den Tagesmamas bleiben darf. Ich erhoffe mir das gute Gefühl, nicht ständig und immerzu Abstriche gemacht zu haben. Besonders bei so wichtigen Themen wie Selbstfürsorge. So, wo also genau wolltest Du Urlaub von haben? Hab ich nicht gerafft.

Lieber Gruss, Maike 

 

#105

Liebe Maike,

Wildnispädagogin klingt spannend. Ich könnte googlen, aber lasse es bleiben und freue mich, von dir mehr darüber zu erfahren und ja auch das Thema Sexualpädagogik halte ich für immens wichtig und sollte viel mehr Einzug in z.B. Beratungsstellen erhalten. Dabei kommt mir in den Sinn, dass ich mich beworben habe: Antidiskriminierungsberaterin sofern ich einen der wenigen Plätze erhalte. Das ist eine Aussicht, mit der könnte ich leben. Ansonsten stelle ich fest, dass ich doch arg gelangweilt und damit wirklich unterfordert bin und das wiederum dient mir gerade als Erklärung für mein (Wohl)Befinden. Was ich nun damit mache und wie ich mich da wieder raushole, kann ich konkret nicht benennen, aber komm: Erkenntnis ist der 1. Schritt ... Katsching.

Apropos: ich schaue mir morgen mal ein Tiny House an und lasse mich in der Hinsicht beraten. Passt zu deinen mehrmonatigen Wohnmobilreisen. Ich werde berichten und das ganze verbinden mit meiner (Wohlfühl)Urlaubsentdeckung, einem Besuch in der ITH Sole Therme. Also auch beim Thema Selbstfürsorge sind wir nah bei einander. In diesem Sinne, lass es dir gut gehen und komm gut ins Wochenende, liebevoll Mella

#106

Hallo Mella,

ich bin aus Hamburg zurück, nachdem ich mich zwei Tage intensiv damit beschäftigt habe, wie ich einen interkonzeptionellen Bewusstseinsraum aufspannen und möglichst halten kann. Irgendwie geht es ja dann doch immer wieder darum, mich mit der inneren Haltung auseinanderzusetzen, mit der mir mein eigenes Ableben nicht mehr so scary erscheint. Weltliches Fazit: Ich darf darauf achten, auf welche Weise ich es schaffe, mir meinen inneren Stress herauf zu beschwören und wie es mir gelingt, an ihm fest zu halten. Ich bin den mannigfaltigen Auslösern auf der Spur. Mir wurde wieder mal klar, wie sehr es sich lohnt,  sich nicht nur ab und an an die eigenen Eitelkeiten zu wagen, sondern wie wohltuend es auf lange Sicht ist, mir von Augenblick zu Augenblick selbst hinter die Kulissen gucken zu können. Ich verspreche mir davon, mich immer weniger oft in meinem hausgemachten Bullshit zu verrennen und so ins Leben zu finden.

Deine Tinyhouse Geschichte find ich sehr inspirierend. Ich bin auch am Nachdenken. Jetzt auch, wo meine Sis baut. Vielleicht ist es auch sehr cool, wenn Micha ein Tiny House hat und ich eins. Nur ma so zum Denken. Oder mein fett ausgebautes Expeditionsmobil steht im Garten neben seinem Tiny House. Oder nimm das Modell meiner Schwester. Ich meine, es ist ein festes Haus, das aus Holz gebaut ist. Vielleicht reicht das dicke?

Ich mach mal Feierabend für heute. Bei mir hat sich im Laufe des Tages ne Erkältung eingeschlichen. Kopf dick, Nase läuft. Bah. Mäh.

Wie is bei Dir?

LG Maike

#107

Guten Morgen Maike,

ich mach es mal früh´s. Verlier ich im Laufe des Tages doch die Energie. Das Arbeits-Dasein hat mich wieder und so finde ich mich in illustren Runden wieder und frage mich, warum hatte ich mich noch mal angemeldet bzw. was soll ich hier. Ich fühle mich nicht wirklich wohl dabei und versuche eben auch mir selbst hinter die Kulissen zu blicken. Zwei Worte kommen mir da in den Sinn, die ich mich auch traue hier nieder zu schreiben, es scheint ja so als seien wir hier unter uns. Unterfordert und untervögelt. Bumtäh. Was ich wohl bei meinem Rundgang hinter den Kulissen vor diesem Hintergund alles entdecken werde, darauf freue ich mich. Denn wie du auch, verspreche ich mir, mich immer weniger oft in meinem (hausgemachten) Bullshit zu verrennen. Im Leben stecke ich, ich hoffe damit nur noch freier. Zum Schluss noch, bevor ich zum Termin darf. Ein großes Grundstück für mehrere Tiny Houses? Komm gut durch den Tag und gute Besserung, Mel

#108

So, Mella, nach ich weiss gar nicht wievielen Abenden totaler Abstinenz und innerer Verweigerungshaltung und Scham (HA!) darüber, schon wieder nichts zu sagen zu haben, hau ich den Knoten jetzt mal durch und lese Deinen letzten Brief nochmal.

Worum gings? Ich lese und denke: Plan für die Zukunft. Familiäre Planung bei mir. Also weniger die Erweiterung als mehr die Optimierung. Es gibt aus meiner Sicht immer weniger Anlass, mein Leben, unser Leben auf die lange Bank zu schieben. Ich hab da keinen Bock mehr drauf. Hier plätschert alles seinen gottverdammten Gang - tagein, tagaus. Das passt mir nicht mehr. Ich geh mit Micha zur Supervision. Soviel ist sicher. Wir kriegen es nicht geschissen, uns um konstruktives Pläne machen zu kümmern. Ich versteh ihn glaub ich auch nicht. Ich weiss nicht, ob ich vielleicht schon längst den Kontakt zu ihm verloren habe. Keine Ahnung. Wir fangen mal an. Schadet nicht, wenn jemand Drittes uns vor Denkaufgaben stellt und wir uns regelmäßig beschäftigen müssen. Ich hab Bock auf Nägel mit Köppe machen. Dieses Aufschieben des Lebensglücks auf die lange Bank gefällt mir ganz und gar nicht. Ich erinnere mich manchmal, wie verliebt wir am Anfang waren. Wo ist das eigentlich alles hin? Wir sind irgendwie nur noch Versorger und Kümmerer, nicht mal wirklich Partner oder Co-Worker. Nicht mal n richtiges Team. Zwei schräge Vögel - jeder auf seinem eigenen Holzweg. Versackt im Kompromiss. Von untervögelt kann ich auch n Lied singen. Ich merk so richtig, wie meine Außenwirkung sich verändert. Ich werde in den letzten Tagen immer mal wieder auch angesehen von Männern. Das hatte ich lange nicht.-Ich hatte vielleicht auch kein Auge dafür. Wer weiss. Auf jeden Fall geht's so nicht weiter. Ich war die Tage beim Bewerbungsfoto-Shooting. Ich wollte wissen, wie das Gefühl, beruflich angekommen zu sein, aussieht. Auf meinem Xing-Profil z.B. ist kein gutes Profi-Foto. Das wird die Tage mal geändert. Letztlich ist mein guter Name ja mein Aushängeschild. Ich merk richtig, wie ich auch da draußen anders wahrgenommen werden will. Bei mir ist beruflich noch lange nicht Schluss, soviel ist sicher. Ich will mich nur nie wieder für etwas hingeben oder irgendwo reinpressen, was nicht passt. Letztens las ich in der Digitale Nomaden facebook-Gruppe: " Ich gebe mich mit nichts Geringerem mehr zufrieden, als meine Berufung zu leben." Jo, dachte ich, voll mein Style, Alter: Klarheit und natürliche Eleganz. Zack.

 

#109

Ha, Maike, wie schön das ist von dir auf diesem Kanal zu hören bzw. zu lesen. Lange Bank schieben, da kommt mir: Stimmt! Leben viel zu kurz. Verliebt? Ich will auch. Ach ja untervögelt! - da war noch was. Kompromiss, da schein ich aktuell weniger bereit zu zu sein. Und nu? Samstagmorgen und ich sehne mich nach einem wirklich entspannten 12h Schlaf! Bei all den Geschehnissen, vor allem das ganze Dasein im Job, bleibt es mir zurzeit verwehrt, ein entspanntes Dasein zu Hause zu genießen. Die Handwerker, die die ganze Woche über im Haus zugegen sind und eine Heizung installieren, die keiner der Mieter haben will. Die wenig Absprachen freudig sind und ich deshalb häufig anecke, da ich einfach zum kurzfristig angekündigten Termin nicht zugegen bin. Nach einem kurzen Moment des Bedauerns, denke ich, mir: „Weißt du was, rede mit mir und wir finden eine Lösung. Wie auch du muss ich arbeiten und habe dort Termine, die ich einhalten muss. Frech werden und mich anmaulen! Nee, hab ich echt kein Bock drauf und führt im Grunde nur dazu, dass ich eben weniger kompromissbereit bin“. Unter diesen Umständen sind die Handwerker möglicherweise länger zugegen als uns allen lieb ist. Andererseits denke ich mir, wenn sie dann mal bei mir in der Wohnung die erforderlichen Arbeiten durchführen, haben sie hoffentlich noch mehr Scheckung, denn offensichtlich fehlen erforderliche (Bau)Pläne. Unruhe on! 

Angespannt auch die Atmosphäre in den 4 Wänden. Halleluja dot com. One eye Jimmy kriegt in seinem Genesungsprozess die volle Ladung an Aggressivität von Dickie ab. Klar, die 2 waren sich selten grün, aber unter den frisch operierten Umständen mit Krause am Hals kriegt sie einen erstaunlich dicken Hals. Meine Fresse, kann die Knurren und Fauchen. Kleines feines Mädchen von wegen. Zum Glück ist das auch nicht von Dauer. Der TA-Besuch heute war sehr gut zur Abwechslung mal. Liegt daran, dass mir in der mir bisher unsympathischen Praxis eine für mich neue Ärztin begegnet ist, die einfach anders auf den Kater und auch mich zugegangen ist. Ich weiß es grad nicht besser zu beschreiben. Also alles fein bei dem Kerl. Interessant fand ich von ihr die Aussage, dass viele Katzenbesitzer berichten, dass eine positive Veränderung bei den Tieren zu spüren ist, nachdem der Tumor entfernt wurde. Besser drauf sozusagen. Das wünsche ich dem Kleinen von ganzem Herzen, dass am Ende diese ganze unangenehme Prozedur (ey Auge raus!) was verdammt Gutes mit sich bringt. 

Dein Bock auf Nägel mit Köppen machen wollen kann ich so gut verstehen und konstruktive Pläne klingen wie Musik in meinen Ohren. Was ist das grad nur, was mich von dem abzuhalten scheint. Gestern beim Kennenlern-Tag des VSE wurde mir deutlich, dass es offensichtlich einfach mein Schicksal (boah, krasses Wort oder dank deinen Worten vlt. besser Berufung?) ist, als Bindeglied, Verbindungsstück, Menschen zusammen zu bringen, die warum auch immer (oft Unsicherheit und nicht wissen) schwer zu einander finden, obwohl, und die Erfahrung mache ich dann auch, der Wunsch nach zusammen sein oder machen, sich kennenlernen und besser verstehen ganz groß ist. Dabei hatte ich meinen SCHAM-Moment als wir es vom Sex hatten (wie konnte das passieren *lach*) und ich zögerte, als sich in einer Runde von lauter Frauen sagen wollte: „Ich begehre Frauenkörper“ Wenn ich mich recht entsinne, war mal die Sexualpädagogik Thema bei dir. Ich sage jetzt machen bitte: Sexualpädagogen*innen braucht das Land. Ernsthaft!

Diese Begegnungen gestern taten einfach gut und haben, so mein Gefühl, mir selbst wieder Wege und Möglichkeiten aufgezeigt und vor allem mir wieder gezeigt, was meins ist. Mein Klick! In dem ganzen Schnittstellen-Dasein und dabei rieseln verdammt viele (B)empfindlichkeiten von anderen auf mich ein, fällt mir es immer wieder schwer zu unterscheiden was ist meins und was von den anderen und so gerate ich mitunter zwischen die Fronten und weiß plötzlich so gar nichts mehr und übrig bleibt die Frage, wie konnte das passieren? 

Apropos passieren! Erwischte mich auch dabei, wie ich flirtete. Also zumindest für mein Empfinden. Hat was 😊

#110

Guten Morgen liebe Melanie,

auch ich finde es schön, von Dir zu hören und dass Du mir so offen "von der Leber" schreibst. "Nichts ausklammern" war ja dann doch irgendwie die Devise. Ich bin allein zu Haus, Kind ist in der Tagesbetreuung, Mann arbeiten und ich bin mit dem Rechner an den Esstisch gewechselt. Im Wintergarten ist es mir mittlerweile zu kalt morgens, um dort entspannt zu arbeiten. Angenehme Stille, kein Trubel um mich rum. Vor dem Fenster grasen sich die Kühe an mir vorbei. Unsere gestrige Familien-Mal-Aktion war schön, weniger schön ist dann immer dieses eheliche Rumgezicke. Ich will da gar nicht inhaltlich drauf eingehen, geht auch gar nicht, weil ich noch immer nicht verstehe, was uns beide so aufbrausen lässt und so bekloppt gegeneinander arbeiten lässt. Wir wollen beide den konstruktiven Umgang miteinander und jeder gibt dem anderen irgendwie die Schuld daran, dass es nicht funktioniert. Du hörst mir ja nicht zu. Nein, DU hörst MIR nicht zu. Bescheuert und ermüdend. Da sacht der doch gestern zu mir, zumindest habe ich das so gehört, er habe sehr viel differenzierter auf dem Schirm als ich habe, was bei uns schief läuft. Da bin ich sehr wütend geworden. Weil ich es so unfassbar frech fand, dass damit die Unterstellung im Raum stand, ich hätte keine Ahnung. Bei heutiger Betrachtung weiss ich gar nicht so genau, ob er nicht vielleicht auch meinte, er habe differenzierter auf dem Schirm als ich denke, was bei uns schief läuft. Das wiederum ändert alles. Und so missverstehen wir uns in einer Tour. Ich bin in seiner Gegenwart einfach sehr schnell wütend zu kriegen. Da reicht sehr wenig und ich koche und schäume. Dieses Phänomen ist zu untersuchen. Und es ist in den letzten Jahren hier in Delmenhorst zwangsweise auch sehr viel in mir passiert: Früher wäre ich wütend geworden, hätte gekocht und geschäumt und nur Menschen, die mich besser kennen, hätten das überhaupt sehen können. Im Zuge der zwangsweisen Ressourcen-Umverteilung (das Mutter-Dasein) habe ich einfach erkannt, wie beschissen viel Kraft und Energie es zieht, innen drin wütend zu sein. Ich bin mittlerweile an einem Punkt, an dem ich immer weniger verbergen möchte, was mich bewegt. Und es gibt die Tendenz, eine Grenzüberschreitung zeitnah kundzutun. Ich möchte mir vieles einfach nicht mehr geben. Will manches nicht mehr entschuldigend hinnehmen. Möchte klar zum Ausdruck bringen, dass ich an diesem Punkt keinen Millimeter von meinem Standpunkt abweiche. Sehe keine andere Möglichkeit, mich und meinen Seelenfrieden zu beschützen, als NEIN zu sagen. Werde immer wieder auf Respekt und Wertschätzung pochen. Das ist in dieser Kombination natürlich ganz schön militant. Da tut er mir fast leid, dass er bei mir nicht durchkommt. Wenn da nicht diese elende Wut immer wäre. Wo kommt die bloß her? Das macht mich richtig traurig.

 

#111

Hey, Maike,
ich weiß gar nicht, was ich schreiben soll und gleichzeitig möchte ich aber schreiben und mich so auf diesem Weg melden. Auch ohne was zum Melden zu haben. Es ist einfach ... es ist einfach … es ist einfach, das hörte ich mich tatsächlich 3x sagen und ich frage mich, was ist es denn nun einfach. Ich habe so viele Frage in meinem Kopf, Fragen, die sich um mich drehen und gleichzeitig scheint es mir nicht zu gelingen, die eine oder andere davon hier aufzuschreiben. Wie kommt´s? Mangelnde Ruhe? Das Dasein zu Haus hat sich noch nicht wirklich geändert und ich weiß gar nicht mehr wie das ist ohne Handwerker. Schlimm! Und beim kleinen Einäugigen scheint der Heilungsprozess soweit voran geschritten zu sein, dass die Narbe wohl juckt. Zumindest versucht er zu kratzen, was mit einem für mein Empfinden tierischen Lärm des Nachts einher geht. Die Halskrause, dieses Plastik-Zeug, klingt so (also wenn er kratzt) wie? Wie sag ich? So´n Waschbrett. Ratsch ratsch, ratschratsch ratsch. Nicht schön. Sonntag sind 10 Tage rum. Dann kommt das Dingen ab und am Montag kommt die TA und zieht die Fäden. Ihm geht´s gut und auch besser denke ich. Er hat nämlich mitterweile raus, dass ich morgens mit Medis ums Eck komm und da hat er definitiv was dagegen. Also neuerdings. Worauf wollte ich eigentlich hinaus!  Ach ja, wieder einmal die Sehnsucht nach entspanntem Schlaf. Das gelingt mir nicht und bin mir nicht sicher ob es nur die aktuellen Rahmenbedingungen sind oder mein Gemütszustand dabei eine Rolle spielt. Das lösungsorientierte Auflösen eines Konfliktes in dieser Woche sorgte dafür, dass ich gefühlt aus dem Weinen eine ganze Weile nicht mehr raus kam. Immer zu kullerten die Tränen, so auch jetzt wieder. Was ist das bloß? Was triggert mich? Oder haben die Tränen einfach nur was mit loslassen zu tun? Fragen über Fragen. Ich möchte Antworten finden und mich so weiterbringen, aber dazu fehlt mir grad die Ruhe. Dumme Schleife und inspiriert von deinen Worten: „Dieses Phänomen ist zu untersuchen.“ Ja, weil da lande ich nicht das erste Mal drin. Ich würde weniger Fragen wo kommt die bloß her, vielmehr wie konnte das schon wieder passieren. Und hier fange ich an zu lachen. Mich einfach mal selbst auslachen. Hab ich lange nicht mehr gemacht. Viel zu Ernst alles oder ich. Raus aus der Schleife…

#112

Hallo Du. Ich quäle mich durch die Tage. Ja, Du liest es richtig, es ist gerade eine Qual mit mir. Und ich winde mich innerlich in Agonie. Meine Mutter sagte schon manchmal zu mir als Kind, wenn ich wie ne kleine Wohnungswurst auf dem Fußboden hin und hergekugelt bin: "Na Kind, weisst Du nichts mit Dir anzufangen?"
Nee, Mama, ich weiss es tatsächlich nicht. Auch manchmal immer noch nicht. Meine Freundin Annika sagt dazu: "Ey, Maike, wenn Dir gerade danach ist, nichts Bedeutungsvolles auf die Beine zu stellen, dann stell halt nichts Bedeutungsvolles auf die Beine." Ich lache jetzt auch herzhaft, denn alles in mir schüttelt sich vehement und abwehrend. NAIIIIN, ich MUSS etwas Bedeutungsvolles TUN! Das geht doch so nicht! In der Schwangerschaft hatte ich mir nen großen Zettel geschrieben. Auf dem standen lediglich drei Wörter: "Ich darf das". Den hatte ich in den Wintergarten gelegt. Und das hat dann tatsächlich geholfen. Egal was einfach zu dürfen war super. Freifahrtschein für mich selbst. Ich frage mich gerade, ob es mir gelingt, voll genießen zu können, nichts Bedeutungsvolles zu tun. Ein wesentlicher Faktor, der mich da scheitern lässt, ist auf jeden Fall der, dann nicht mehr wirklich legitimiert klugscheissen zu dürfen. Geiler Glaubenssatz: Nur, wer selbst rockt, darf darauf pochen, dass andere auch gefälligst zu rocken haben. Wer nicht rockt, macht sich lächerlich, wenn er darauf pocht, dass andere gefälligst zu rocken haben. Micha sagte unlängst sowas ähnliches wie: "Bei Dir muss ich immer erst durch einen Feuerreifen springen, damit ich mir das Privileg erarbeite, angehört zu werden." There is seriously something to reconsider in my belief systems. Denn irgendwie hat er wohl recht. Ich habs ja schon nicht ganz einfach mit mir, wie sollen es dann andere haben? Katsching, und einfach mal oben drauf auf den Haufen eben dieses Systems. So langsam braucht es fast ne Überschrift für diesen Stapel. Ich halte fest: Ich will mich nicht lächerlich machen. Und in der Tat kann ich das nicht gut haben, wenn ich ausgelacht werde. Innerlich so einzukrumpeln, weil jemand anders mein aufgeblasenes Ego enttarnt hat, find ich ganz schön erniedrigend. Wow, na, das flutscht doch. Es geht also um Hochstatus und Tiefstatus. Interesting. Was zur Hölle ist denn da wohl los? Boa, ist ja wohl nicht wahr. Merkste was? Ich merks. Ich bin gerade von hinten durch die Brust ins Auge dabei, etwas Bedeutungsvolles tun zu wollen, indem ich mir auf den Grund zu kommen versuche. Alter. Genuss ist das nicht wirklich. Ist doch jetzt auch mal schietegal, Maike. Lass doch gut sein. Geh doch mal raus, den Hof fegen. Geh mal an die frische Luft, Blätter wegmachen, letzte Sonnenstrahlen genießen.

 

Ok, na gut, hast ja recht.

 

Kuss nach BS.

# 113

Maike, wow du arbeitest mit dir, an dir, bei dir und das aus meiner Sicht unermüdlich 24/7. Chapeau. Auch wenn ich ‚was Bedeutungsvolles machen zu wollen/müssen‘ nachfühlen kann, erlaube ich mir zwischendrin auch die Ruhe von mir selbst. Interessant zu lesen, wie da bei dir dein (Findungs)Prozess ist und ich merke, dass es sicherlich bei mir nachwirken wird. Mit Ohrstöpseln ist es mir gelungen tatsächlich mal durch zu schlafen, wenn auch noch nicht 12 h lang und du hast richtig am Telefon gehört: Ich fühle mich besser. Erstaunlich die Wirkung einer gesunden Portion Schlaf. Einhergehend damit, kann ich einfach besser das gefühlte Wirrwarr oder Allerlei in meinem Kopf besser sortieren. Hilfreich war übrigens auch die Kolumne die Du mir geschickt hast. (Da offensichtlich Menschen hier tatsächlich mit lesen, hier der Link: Männer kommunizieren nach anderen Regeln als Frauen) Ich hatte einige Aha -Momente. Ich bin zu leise! Und das wohl im wahrsten Sinne des Wortes. 😉 Wirklich spannend und für mich gerade äußerst hilfreich. Hier ein Katsching von mir: Ich kann ja immer nur mich ändern und nicht die anderen. Mir geht´s besser, ganz klar, ich scheine meine Größe wieder zu erlangen. Was meine ich eigentlich mit Größe? Selbstbewusstsein gehört da rein, aber auch das Wissen um „was will ich“. Da kommt was zurück in mir und das fühlt sich gut an. Lust macht sich breit und das auf vielen Ebenen. Zwinker. Wennze weiß watte wills musse machen datte hinkomms – KATSCHING! Lets go for it, Spieki

#114

Mella, es ist dann doch wieder ganz ganz anders, als ich dachte. Mein Kind ist krank und geht dann wohl besser mal nicht in die Betreuung. In heutigen Zeiten ist das Thema Rücksichtnahme auf die Peergroup zumindest bei mir mittlerweile per Selbstverständnis von Altruismus bestimmt. Das können wir den anderen auf keinen Fall antun, dass sie mit einer Schniefnase in Lebensgefahr gebracht werden. Hammer, was alles gelernt werden kann. 
Es heisst also Umdisponieren. Ich packe heute abend unsere Koffer und fahre zu meiner Mutter. Die wird sich freuen, dass sie ihr Enkelein zu Gesicht bekommt und ich kann mich mal stundenweise zurückziehen und Telefonate führen oder Gedanken zu Papier bringen. Die innere Schnappatmung hatte nämlich bereits eingesetzt. Habe das Lockdown-Drama noch gut in den Knochen sitzen. Immer auf irgendeine bekloppte Lücke im Tagesablauf lauern - (Oh, Kind hat gerade entdeckt, dass es abgefahrene Geräusche macht, wenn man mit dem Messer die Zähne putzt. Lohnt es sich, verstohlen das Handy zu zücken? Jepp, da antworte ich doch mal eben auf die Mail von Mareike, die kann kurz und knackig gut verpacken ...Ja, Schatz, ich guhuuuck.) - um was klitzekleines von der unaufhaltsam länger werdenden To-Do-Liste streichen zu können, um dann ganz am Ende erschöpft, innerlich implodiert die ganze Liste und mit ihr meine Moralvorstellungen über ordentliches Arbeitnehmertum über Bord zu werfen. Ist ja nur mal ne Phase. Puh. Nee, nämlich nicht, denn täglich grüßt das Murmeltier. Gruselig. Aber es zeigt: Wäre denn unsere Tagesmuddi mal erkrankt, und das kann ja bei der Großwetterlage auch jeden Moment und immer soweit sein, sitze ich wieder schön in dieser Mikro-Task-Hetzjagd aus der nur der Heulkrampf oder das monotone Achselzucken herausführen. Oder in diesem Fall eben die 180km entfernte Großmama. Unsere Suche nach einer Supervision hat noch immer nicht gefruchtet. Die Dame, die es uns angetan hatte, kann nie in der Mittagspause, unserem einzigen Zeitfenster. Abends und am Wochenende? Gibts derzeit noch keinen verlässlichen Babysitter. Die Suche geht also weiter. Genauso wie die bekloppte Suche nach einem Orthopäden, der mir manuelle Therapie aufschreibt, damit ich mit meinem maroden Bewegungsapparat zur Physio gehen kann. Alles so beschissen verhakt ineinander. Ich war jetzt die Tage, wenn ich nachts wach wurde, einfach aufgestanden, um mit Yoga die Verspannungen aus mir rauszuatmen. Getrieben von dem Glauben, es könne alles nur besser werden. Ob ich nun nachts unter der Bettdecke netflixe oder das Krokodil, den Schmetterling und die Libelle mache, ist ja dann auch irgendwo wumpe. Heute morgen krachte es auf jeden Fall ordentlich im Rücken. Vielleicht war es das schon. Ich werde alles weiter beobachten. Lieber Gruß an den tapferen Kater!

#115

Good day, Mittwoch, Bergfest, Mist irgendwie noch verdammt viel Woche übrig mit vielen to do´s.
2 Tage Homeoffice, Ausbildung Antidiskriminierungsberatung via Videokonferenz gut und gleichzeitig ermattend, dieses Format des Arbeitens empfinde ich als äußerst Energie raubend. Beim Einrichten meines Arbeitsplatzes ist mir so dumm meine Sitzbank auf meinen Zeh geknallt, dass ich anfänglich das Bedürfnis hatte, einen Arzt aufzusuchen. Dumm von mir, wie sich herausstellte, dass es im Homeoffice passierte. Arbeitsunfall, fühlt sich lächerlich an, Durchgangsarzt muss her. Nach stundenlangen Besetztzeichen hören gab´s einen Termin für heute, 2 Tage später. Den schenk ich mir. Komm, bissle Kratzertum und nen bissl mehr das Blaue Fleck dasein. Wird… bis ich verheiratet bin *lach* Katsching. So Mittwoch, ach ja SCHLAU-Vortrag. Da muss ich mal gedanklich einsteigen. Schade würde ich viel lieber intensiver in meine Gedanken einsteigen. Das Erlebte, Gelernte verarbeiten, ich fühle mich gehetzt, gereizt (Hormone sind´s nicht 😉) und würde dem lieber aufm Grund gehen. Hilft nix…weitermachen. Monat unbezahlter Urlaub? Fänd ich grad toll. Allerdings erst wenn die Handwerker weg sind. grrrrrrrrrrr

#116

Liebe Melanie, ich sitz Dir im Büro gerade gegenüber. Du schreibst an andere und ich schreib Dir jetzt einfach mal. Schön ist das, wie wir uns hier eingeschwungen haben. Da fliegen die Stichworte über den Tisch und meine Laune hebt sich merklich, wenn wir gemeinsam in diesen Korridor der - ich nenn sie mal - spürbaren Strömung geraten. Da ist dann immer gefühlt das sichtbar, was andere nicht in der Form greifen zu kriegen scheinen. Und das hat was damit zu tun, dass ich mich furchtbar verstanden fühle. Ich freue mich sehr, dass es bei Dir gerade freudig zu sprudeln beginnt. Das ist sehr inspirierend.

 

Nachtrag einige Stunden später: Du bereitest die Vorstandssitung vor und huschst und ronkst und klapperst im Büro herum, als ob die Tagesordnung durch ein gewisses Grundtempo mit allen sieben Vorstandsmitgliedern dann schneller abgearbeitet werden könnte. Vielleicht gelingt es Dir auch so etwas besser, eine gewisse fürs Wachbleiben notwendige Grundspannung aufrecht zu erhalten. Ich habe leichte Kopfschmerzen und bin bestürzt, dass Delmenhorst jetzt Risikogebiet ist und dass, wo ich mich schon seit Monaten wirklich vorbildlich an die AHA Regeln halte. Ich habe mir fest vorgenommen, heute in der Sitzung extra präsent zu sein und freue mich leise und mit etwas Aufregung darauf, zu üben, mir selbst treu sein. In den letzten Wochen zeigt sich da nämlich immer mal wieder ein greifbares inneres Gefühl zu dem Konzept für Aufrichtigkeit und die damit einhergehende Verletzlichkeit.

Meine Vorannahme über mich selber ist da übrigens auch sehr geil: Ich halte mich selbst für mega langsam, null schlagfertig und ziemlich schnell zu beeindrucken, also einfach zu überrumpeln. Zieh Dir das rein. Ich weiss von mir, dass ich nen hellen Verstand habe, halte mich aber dennoch für ne Lusche, wenn es darum geht, meinen längst gefühlten inneren Widerstand meines Bullshitdetektors zu verbalisieren. Es wird Zeit, mich mal sein zu lassen. In diesem Sinne eine schöne Sitzung gleich.

Bussi, Maike

#117

Liebe Maike, ich hoffe du bist mittlerweile wieder gut zu Hause gelandet. Ich hab einfach keine Lust, Nennenswertes zu schreiben. Das darf auch sein und so geh ich jetzt ins Wochenende. 

Hab ein schönes. Ich drück dich, Mella

#118

Boa, Mella, was für ne unsägliche Aufregung hier bei uns. Ich komme erst jetzt zum Schreiben und  Durchatmen. Micha hat hohes Fieber, raucht nicht und isst nichts. Liegt unter zwei Daunendecken, friert teilnahmslos vor sich hin und ist einfach aschfahl. Da geht bei mir innerlich die Post ab. Ich bin auf irgendeinen medizinischen Notfall im Grunde null eingestellt. Auch wenn es wahrscheinlich die Grippe ist und nicht Corona, und wir mit keinem medizinischen Notfall konfrontiert werden werden, kann ich gar nicht anders, als dass mir die Bilder der letzten Monate ins Hirn schießen. Ich fühle mich unfassbar allein. Innerlich betäubt. In dem ganzen Ehegezuppel, was ohnehin ist, soll ich auf einmal ohne wenn und aber zu ihm halten. Ich bin von dieser ganzen Krankheit aber total angeekelt. Mit der Lütten bin ich ohne weitere Umschweife ins Kinderzimmer umgezogen. Die Infektion scheint in seinem Universum zu verursachen, dass das kleinste Tönchen eine innere Superresonanz erzeugt, die seinen Bregen zu sprengen droht. Ich bemerke, wie ihn das quält, das ist nicht schön. Aber was mich wirklich an meine Grenze bringt, ist die Art und Weise, wie er über diese Pein unwirsch wird. Ich weiss gar nicht, ob er weiss, was er sich da Unbequemes beigebracht hat oder gestattet. Das lässt mich auf jeden Fall einige Skalenpunkte weniger gute Krankenschwester und Ehefrau sein. Da läuft es mir kalt den Rücken runter und lässt mich versteifen. Das unwirsch sein müssen ist mit Sicherheit kein Spaß. Bliebe für mich die Frage, wie ich mir den Spaß ins Grenzen setzen zurück erobert bekomme, ohne in dieses alternativlos Unwirsche abrutschen zu müssen. Wie war das so schön? Der Schlüssel zu einem gelingenden Leben liegt darin, die Anzahl der Handlungsoptionen stetig vergrößern zu können? Weil man sich das Werkzeug dazu erarbeitet hat? Ich höre meinen inneren Chor gerade ein undefiniertes feines himmlisches Säuseln intonieren. Bäm! Ich habe mir auf jeden Fall gestern beim Spazierengehen überlegt, ich habe Lust auf einen Internet-Auftritt meines Portfolios. Und dann fragst Du mich, was wir hier eigentlich tun. Und ich sage Dir, wir finden unsere Stimmen. Auch wenn wir hier verspielt ausprobieren. Letztlich ist es bitter ernst. In meinem Hirn sind da diese beiden schwammigen, aber einzigen sachdienlichen Hinweise über das, was ich für meine Berufung halte. In dieser einen Traumreise in einem Berufungsseminar vor 20 Jahren ging ich auf diese Bühne, die da mitten auf der Waldlichtung stand, verbeugte mich, bedankte mich für die Ehrung und das zahlreich erschienene Publikum klatschte in Standing Ovations für ... (Trommelwirbel, innere Übelkeit, tadaa) "Dass ich da bin." Zu Beginn meiner Ausbildung kam ich mir nochmal anders auf die Schliche. Da entstand auf einmal dieses nicht näher spezifizierbare innere Bild, das ich dann mit Wachsmalern in die sichtbare Welt rettete:

Ich zweifle nicht an der Echtheit der Erfahrung und auch nicht an der Botschaft. Von "Dasein" war ich lange Zeit tief beschämt gewesen. Die anderen Teilnehmer wurden von ihren Publikums für "meine tollen Bauwerke" und "meine Erfindungen" geehrt. "Dasein" war zum Verkriechen. Noch brotloser als Kunst. Und keine wirklich geltende Antwort auf die Frage: Na, was willst DU denn später mal beruflich machen?

"Das ahnende Dreieck inmitten der bunten, tanzenden Spaghettis" ist als Antwort 13 Jahre später immer noch ähnlich wild.

Der Witz ist aber, diese beiden Anhaltspunkte benutze ich ungelogen immer wieder als Realitätscheck, wie weit ich derzeit von meinem derzeit besten Kenntnisstand meiner Berufung entfernt bin. So ja nun gerade auch schon wieder. Da zieht sich ein gewaltiger roter Faden durch mein Leben. Ich spüre den. Wird Zeit, dass der wieder einen größeren Stellenwert bekommt.

Nebenan hustet der arme Mensch, ich geh noch mal die Lage checken.

Kuss, Maike

#119

Jo, Maike, deine Worte wirken ungemein. Es ist wohl auch mein Thema, dass DASEIN. Ja! Und wenn ich so inspiriert von dir mal wieder genauer horche, stelle ich fest, dass ich mir nach langer Zeit des Suchens oder auch Machens wie oder was andere machen, ich mir im Verhältnis zu meinem Alter seit geringer Zeit (round about ten years) erlaube, dass ich bin. Also mit allem was dazu gehört. So wohltuend oder anstrengend, lustig oder nervig, stark oder schwach ich vielleicht auf andere Menschen wirke, wirke ich auch bei mir selbst und das ist nicht immer einfach zu ertragen oder geht oft mit einer Art Scham, wie du ja auch beschrieben hast, einher. Komm, hier ein Katsching, um von meiner eben erwähnten Scham abzulenken: Wir selbst sind doch unser schärfster Richter.
Ich darf dich nun schon einige Jahre begleiten und kann unterschreiben, dass du deinen Werkzeugkoffer durchaus erweitert hast. Gleiches gilt für mich und bitte tritt mir in den Hintern, sollte ich mal aufhören mir neues Werkzeug zu suchen. Plötzlich scheint das Schreiben auf Klugegören einen greifbareren Sinn zu erhalten. Wir finden unsere Stimmen, find ich schön. Ich denke nämlich ich hab Kluges zu sagen. Hör zu, Mella

#120

Liebe Melanie,

es ist 20:50, mein Kind hängt mir auf dem Schoß, während ich beginne, Dir zu schreiben und möchte partout nicht ins Bett. Das nehme ich jetzt einfach mal als gegeben. No use fighting. Soll sie sitzen. Die Hauptsache ist, ich darf in Ruhe schreiben. So ist es kommuniziert, so scheint sie es zu nehmen. Sie erzählt und singt sich selbst was. Und irgendwas tüftelt sie sich hier zurecht.

 

Ich hatte unterm Strich eine echt fordernde Woche. Gestern und heute war die Lütte dann wieder nicht in Betreuung, da ihr Husten einfach noch zu rasselig klingt. Ihr Kinderarzt im Urlaub, bei der Vertretungsärztin warteten wir alle vor der Türe, die für jede einzelne Transaktion mit den Patienten auf- und wieder zugeschlossen wurde. Eine hochkuriose Logistik, um ein Hygienekonzept umzusetzen. Also: Klack-klack, Tür auf, wer ist jetzt dran? Versichertenkarte bitte, danke. Tür zu, klack-klack. Klack-klack, Tür auf, wer ist jetzt dran? Ein Rezept? Können Sie morgen abholen, Tür zu, klack-klack. Klack-klack, Tür auf, Kind xy bitte, Patient rein, Tür zu, klack-klack.

Ich denke in der letzten Zeit häufiger Mal, ich bin in irgendeinem Truffaut-Film gefangen. Soviel zu meiner derzeitigen Einschätzung der Weltsituation. Ich fühle mich bisweilen auf beunruhigende Weise fremd.

Micha erwacht so langsam aus seinem grippalen Niemandsland. Und stört mit eigenen Ideen meine getakteten Tagesabläufe. Es gibt da nicht viel Spielraum in so einer Situation. Da heisst es leider sich mir anpassen. Denn ich priorisiere. Unter anderem danach, was ich alles hinbekommen sollte, bevor es mich auch in den Abgrund reisst, denn das Potential ist ja da. Pff, mein Kopf wieder. Vielleicht übertrieben, vielleicht nicht. Ich kaufe ein und koche vor, schiebe Aufgaben und treffen am laufenden Band Entscheidungen, die dann leider unumstößlich werden, da jegliche Änderung gewaltige Störungen im Betriebsablauf verursachen würde, denen ich dann wiederum nicht gewachsen wäre, es sei denn ich verzettele mich unwohltuend. Wenig Raum für Eventualitäten, es tut mir unendlich leid. Wenn ich eines in meinem Leben gelernt habe - frag mich bitte nicht, warum ich das mal gut können musste - dann ist es Stringenz walten zu lassen. Es ist die Ironie des Schicksals, dass meine beiden anderen Familienmitglieder auf dieser Welle nicht reiten können. Oder wollen? Es gelingt ihnen beiden auf jeden Fall unvorstellbar schlecht, nach meiner Pfeife zu tanzen. (Also meine Bedürfnisse zu sehen.) Ihnen beiden fehlt da irgendwie der Langmut, sich hintenan oder in den Dienst der Sache zu stellen. Das ist die Lernaufgabe meines Lebens, die mich teilweise an den Rand des Wahnsinns treibt.

21:50 Uhr. Kind blättert immer noch in dem Buch mit dem Schmetterling, der in seinem Kokon schaukelt. Ist schon zweimal fast hier auf meinem Schoß eingeschlafen. Ich sag: "Kind, geh doch ins Bett. Du bist hundemüde." Kind: "Nein." Ich: "Was das angeht, find ich Dich echt nen harten Knochen." Kind: "Ja."

Vorhin hat sie verstohlen an mir hochgeguckt und mich beim Schreiben beobachtet. Was das wohl bei ihr alles so gibt im Leben?

Dicker Kuss, Maike