#21

Oah, schnell pullern gehen. Puh, guuuuut. Oh, ich sehe gerade, die Waschmaschine ist fertig. Ok, eben noch ausräumen, dann kann ich entspannt die Küche aufräumen. Boah, Trockner auch noch voll. Also gut, Trockner ausräumen. Wohin mit dem Kram? Alter, alle Körbe noch mit Wäsche zum Falten voll. Komm, auf die Wickelkommode damit. Äh warte, wo dann wickeln? Egal, seh ich dann. Wo war ich? Ach ja, Waschmaschine ausräumen. Trockner einräumen. Trockner anstellen. Läuft. Haken dran. Weisste watt? Dann kann ich eben auch noch ne Wäsche anwerfen. Waschmaschine bestücken, Waschmittel rein, anschalten. Was wollte ich doch gleich noch? Boah, nee, ach ja bäh, die Küche. Und noch Wäsche falten. Kotz. In den Schrank packen geht eh erst morgen, da Kind sonst wach wird. Gut, mach ich eben noch die Origami-Nummer, Küche danach. So. Wäsche falten. Scheisse, wo? Die Wickelkommode ist voll (Geniestreich!), der Wohnzimmertisch zu tief, der Boden? Dreckig wie Sau. Stimmt, ich wollte heute auch gesaugt und gewischt haben. Mööp, auf die Liste für morgen schreiben. Also Esstisch. Jaa, neee, der ist noch nicht frei, die Küche musste ja auch noch. Das heisst also, ich mach die Küche sauber, damit ich Wäsche falten kann? Als hätte ich sonst nichts besseres zu tun. Ich glaub ich setz mich jetzt erstmal hier hin und schreib mich wieder auf nen eigenerträgliches Level runter. Hah nee, Reflektion im Bildschirm zeigt mir, ich hab noch die Honigmaske im Gesicht. Die muss ich erst eben noch abwaschen gehen. Stimmt, ich wollte mir ja ne kleine Auszeit nehmen.

#22

Mein Kind ist wollte heute nicht von der Tagesmama nach Hause. Tagesmama war sehr angetan, Kind war sehr angetan und ich habe richtig gemerkt, wie ich mich tiefenentspannt habe, als ich in der Tür stehend merkte, wie sehr auch ich dadurch bei mir ankomme. Mein Kind hatte in diesem Moment zwei Mütter. Was für eine unfassbare Bereicherung. Wir Frauen sind da ein verdammt gutes Team, ohne dass wir wirklich den gleichen Sport betreiben. Dieses pralle, saftige Gefühl nennt sich vielleicht vollkommenes Vertrauen, ich weiss nicht genau. Ich nehm es unter diesem Arbeitstitel auf jeden Fall auf die Liste meiner alltime favorite Seinszustände auf.

#23

Wir strumpeln schon den ganzen Tag barfuß auf dem Land der Schwiegereltern herum, kriegen mordsdreckige Klamotten (egal) und viel Sonne ab (wohlig ermattend). Zwanglos herumlungern ist die Devise. So wie im Sommer früher immer. Es geht noch, wie geil ist das denn. Ey, ich hab früher gefühlte ganze Sommer herumgelungert, ohne dass ansatzweise Langeweile aufkam. Is Feiertag, aber is auch egal welcher. Nich wichtig. Wichtig ist, dass alle fein runtergekommen sind und keine Sau rumstresst. Die Krönung wäre jetzt dann noch ein schönes Nickerchen mitten am Tag mitten auf dem Rasen inmitten der anderen.

#24

Bewegung, Natur und Urlaubsfeeling. Was ein kleiner Ausflug alles bewirken kann. Ich muss umgehend mit einer Urlaubsplanung starten. Raus, anderes sehen und erleben. Durchatmen. Dabei fällt mir ein, dass ich noch einen Gutschein für einen Tandemsprung besitze. Großartig. Mal schecken wo das alles möglich ist und Zeit drum rum planen. Oh bin ich bereit mich aus 4000 m Höhe auf die Erde fallen zu lassen?

#25

Von innen nach außen, hab ich mir sagen lassen, heißt es im Buddhismus. Der ganze Scheiss, der sich aus meiner Sicht in mir gestaut und gesammelt hat, sollte doch endlich mal raus. Ich möchte mein (inneres) Gleichgewicht wiederhaben. Wie so oft ist das erste Mittel der Wahl erst einmal aufräumen bzw. ausmisten. Geht immer ganz gut. Der Anfang ist gemacht. Auch wenn ich nicht verstehe, warum es heißt: Anderen einen Einlauf verpassen. Oder schmeiß ich nur wieder irgendwelche Redensarten durcheinander?

#26

Ich finde, im Lockdown leben hat viel mit ungeoutet sein zu tun. Man darf einfach nicht so richtig. Überall lauert die subtile Befürchtung, in Gefahr zu sein, wenn man würde, wie man wollte. Immerzu mit gebremstem Schaum unterwegs, bedacht, sich nichts einzufangen, was potentiell lebensbedrohlich wäre. Gedeckelte Emotionen als Schutzschild der Wahl, um nicht zu implodieren. Sein Dasein dadurch nicht wirklich erleben. Durch fehlendes Erleben das Leben eher sinnlos finden. Ich ahne gerade, dass da noch mehr mit uns passiert in dieser Zeit. Vom Gefühl her geht das uns allen gerade sehr an die Bausubstanz.
Notiz an mich: Menschen gegenüber öffnen. Hat bisher noch immer geholfen.

#27

Das Ding scheint zu sein, dass mit den Lockerungen innere Entspannung einsetzen darf und damit einhergehend das Ausmaß der Anspannung deutlich zu Tage tritt. Zumindest bei mir, vielleicht geht's Dir da draußen ähnlich. Es geht nicht einfach proportional zu den Lockerungen bergauf mit mir. Durchhalten müssen, weil es nicht anders geht (oder wahlweise, weil man denkt, dass es nicht anders geht) scheint mit einem hohen Maß an pragmatischer Verleugnung der eigenen Bedürfnisse zu tun zu haben. Und - wir hatten es gestern schon davon - das Verleugnen der eigenen Sachen ist einfach bolle-anstrengend. Ich denke da allein schon von berufswegen ressourcenorientiert und feiere gelingende Resilienz, indem ich anerkenne, dass da jetzt erstmal noch Talfahrt angesagt ist. Hast Du schon mal 3 Minuten fest eine Faust gemacht und dann versucht, die ebenso schnell zu lockern, wie du sie zugemacht hast? Genau, das tut Hölle weh.

#28

Wahnsinnige Glückshormon-Ausschüttung. Irre und ganz wundervoll, nach gefühlt einer Ewigkeit, das glücklich sein in jedem Winkel meines Körpers zu spüren. Ich war im Fitnessstudio! Und es war nicht die sportliche Aktivität, die mich hat glücklich sein lassen. Plötzlich war da dieser Moment, in dem ich mich umschaute und all die anderen Menschen sah, wie sie sich ihren Übungen widmeten. Es tat so gut, Teil dessen zu sein und es war so schön, mir bekannte Gesichter zu sehen. Auch wenn ich im Grunde nicht großartig Kontakt zu den Leuten dort pflege. Man sah sich eben vor Covid-19 regelmäßig und grüßte sich per Blickkontakt und jetzt? Da war er wieder: Der Blick - Ein Lächeln - Das irgendwie zusammen sein. Mir war nicht klar, wie sehr mir das fehlte. Erst im Spüren des glücklich seins wurde mir deutlich, wie sehr mir die Corona–Situation eigentlich zu schaffen macht. Diese meine Anspannung habe ich mir offensichtlich ganz gut schön reden können in den Wochen des Lockdowns und jetzt mit den Lockerungen merke ich, dass ich anfange mich wieder locker zu machen. Langsam und hoffentlich stetig.

#29

Heute schlimm schlimm. Überfordert wie schon lange nicht mehr. Mir war schon etwas mulmig, als ich in den Baumarkt gefahren bin, aber ich dachte, ich krich es hin, die Zutaten für das Bauvorhaben "unterirdisches Gewächshaus" zusammenzusammeln. Einkaufen, pfff. Tausendmal gemacht. Schon ganz andere Sachen gewuppt. Vor allem auch ins Auto. Doktor Tetris. Läuft. Und dann stehste da und das, was du willst, gibt es nicht und für Improvisation fehlt mir das nötige Kleingeld und überhaupt ist die Baustoffabteilung mehr zerfleddert als übersichtlich schon mal gar nicht. Alles groß und hoch oben und unhandlich. Oh ja. Und noch lange nicht im letzten Bearbeitungszustand. Das dicke Ende kommt erst noch. Zurechtsägen ... oah ... lassen ... stöhn ... Laut die Sprecherdurchsagen: "Bitte unterlassen Sie Unterhaltungen. Halten Sie sich nicht länger auf als nötig." Ich fühle mich gegängelt und unzulänglich. Und ich habe nur noch eine Stunde, um da irgendwas voreinander zu bekommen. Das einzige Zeitfenster in dieser Woche für derartige Vorhaben schmilzt im untätigen Rumoren der verbleibenden Optionen dahin. Ticktack. Raus hier. Dumpfes Gefühl von Verkackung. Den leeren Einkaufswagen durch das Flatterbandlabyrinth zurück lavieren, Auto suchen, tonlos nach Hause fahren. Plan B für den Restvormittag aus der Tasche schwenken. Zuhause. Heulen unterdrücken nicht mehr möglich.

#30

Tgif! Und dann auch noch ein letzter Arbeitstag. Es geht in den Urlaub. Anders als gedacht aber bei herrlichem Wetter. Ich freue mich, auch wenn ich gleichzeitig merke, wie sehr es mich doch auch stört, dass ich nicht so kann wie ich will. Dabei will ich nicht sonderlich viel. Ich bin geübt darin, genügsam unterwegs zu sein und dennoch gibt es Tage, an denen mich all die Regelungen doch sehr tangieren. Heute ist wohl einer davon. Egal! Übe ich mich mal wieder in Gelassenheit und Geduld. Davon kann man offensichtlich in Corona-Zeiten nicht genug haben.

 

#31

Heute spät dran. Oder wie mein Kind intoniert: peet! Darauf bestand sie heute höchst altklug, als ich ihr vorschlug, mit dem Bilda-Bilda angucken zum Ende zu kommen, um schlafen gehen zu können. Aber mit sonem Unterton "Mudder, ich warte nur auf dich. Nur auf Dich." Ja, stimmt schon, gewartet haben wir alle viel heute. In der Baumarktschlange, durch hochkant aufgestellte Europaletten mäandern da Menschen, wie am Flughafen oder in Disneyland, ab hier nur noch 30 Minuten Wartezeit, und bidde Einmeederfuffsch, jeder nur ein Kreuz. Da durfte ich auch lernen, dass ich meine Maske die letzten Wochen falschrum getragen habe, denn "die bunte Seite kommt nach außen". Noch sowas Altkluges. Heidewitzka eins zwei drei, wo nehmen es manche Leute her? Stoisch den Beutel umgedreht. Guckt der Rotz stellvertretend für meine Grimasse nach draußen.

#32

Boah, bin ganz schön groggy und verstehe nicht, warum ich mich nicht einfach wieder ins Bett begebe. Es ist Pfingsten und Urlaub noch dazu. Man darf ja wohl mal nix tun. Ich verstehe nicht, warum mir das seit Corona nicht wirklich gelingen will, das Nichts tun, meine ich. Immerzu bin ich getrieben - nahezu rastlos. Mir will noch nicht so richtig einleuchten, warum das so ist. Meine Aktivitäten haben sich nicht nennenswert geändert. Arbeit, Sport, unterwegs sein und dennoch gesteh ich mir gerade nicht wirklich das Nichts tun zu. Warum? Ist die ganze (weltweite Corona) Situation so krass, dass meine natürlichsten Instinkte zum Vorschein kommen und mir suggerieren ich muss zum Überleben wachsam bleiben. Ich weiß es nicht. Ich würde gerne mal wieder einen ganzen Tag in einer Saunalandschaft zu bringen wollen. Inklusive Ganzkörpermassage! Das hat bisher eigentlich immer ganz gut für große Entspannung gesorgt. Nun gut, rufe ich mal meine Eltern an und gratuliere zum 47. Hochzeitstag.

#33

Mein Kind präsentiert zwei sechsjährigen Mädels stolz ihren nackten Bauch, auf dem königlich eine Warze prangt. Die beiden anderen zeigen sichtlich angewiedert drauf und fragen: "Was hat sie da? Kann man das nicht wegmachen? Ich trau mich gar nicht da anzufassen." Was da mit mir passiert, verstehe ich selbst noch nicht so genau, es geht alles so schnell. Ich geh auf Augenhöhe der Schulanfänger runter und frage die beiden: "Warum wollt ihr Warze denn wegmachen?" Zwei Paar große Augen. Mit meinen sich weitenden jetzt drei Paar: "Mhm?" Schweigen. Ich geh von Augenhöhe auf deren Niveau runter und höre mich sprechen: "Du zum Beispiel hast ganz schöne Segelohren. Kann man die nicht anlegen?" Mir pocht das Herz im Hals, ich finde mich helden- und ekelhaft zugleich. Kunstpause, Kunstpause, Kunstpause. Dann ist aus meiner Sicht genug bei den anderen passiert. "Das tut weh, wenn andere mit dem Finger auf Sachen bei einem zeigen, für die man gar nichts kann, oder?" Betretenes Schweigen.
Später am Tage zeigt mein Kind auf die Warze und sagt: "Iih!" Seitdem kotz ich im Strahl.

#34

Text du oder ich?
Du bist.
Ich echt. Na gut.
Das Bild aus Braunschweig nehmen?
Ja. Da ist eigentlich meine Meise drauf zu sehen.
Die ist überall zu sehen.

#35

Sich mal wieder persönlich sehen, wow, hat das Qualität. Verrückt, wie wenig Wörter nötig sind, um zu connecten. Und wie entspannt alles sein kann. Was immer wieder diese bohrende Frage aufwirft, was das distanzierte Leben so unfassbar anstrengend macht. Ich hab Hirnzwirbeln und Schmerzen überall, wenn ich allen immerzu ausweiche. Und obwohl ich allen aus dem Weg gehe, gehen sie mir immer noch janz forschboar uffn Puffer. Ich verzweifle fast daran, dass ich nicht noch mehr ausweichen kann als ich möchte, weil ich wirklich nirgendwo meine Ruhe habe. Und kaum treffe ich eine Vertraute, ist der Spuk wie weggeweht. Da schlaf ich aufeinmal tief und bin morgens ausgeruht. Ich versteh's nicht.

#36

Hätte hätte Damentoilette! Ich denke, das ganze Hätte-Gedenke gehört zum Leben dazu. Aber seien wir doch mal ehrlich: was bringt es uns? Nicht viel! Hätte der Tag anders gestaltet werden können? Sicherlich und sicherlich wäre mein Gefühl jetzt auch ein anderes, wobei ich gleichzeitig auch nicht wissen kann, ob dieses mögliche andere Gefühl ein besseres oder schlechteres gewesen wäre. Spielt in Grunde auch so überhaupt keine Rolle. Also fröhlich weiter machen. Noch ist ganz schön viel Tag übrig um später mal zur Abwechslung „hätte hätte Fahrradkette“ zu denken.

#37

2 Kilo Spargel

n halbes Pfund Butter,

5 Schnitzel

2 Kilo Kartoffeln

3einhalb Kilo selbstgepflückte Erdbeeren

1 Liter Sahne

der gestiefelte Kater

Bett.

#38

Seit meiner Schwangerschaft hab ich das Gefühl, schneller zu verknöchern als ich dagegen trinken und dehnen kann. Verdammter Salzsäulen-Fluch. Heute schreit alles nach Mobilisierung im Lendenwirbelbereich. Ich liege auf Tennisbällen rechts und links der Wirbelsäule. Ok. In den Schmerz atmen, meinem Körper vertrauen und loslassen. Haha, loslassen.

Ja, da ist Zeit für. Kind macht Mittagschlaf. Also liege ich da, schaue ab und zu in die vorbeiziehenden Wolken und schmelze langsam an den Bällen runter. Was mein Körper so alles anstellt, um nicht ins Fließen zu geraten, ist phänomenal. Von Ohrfiepen über sperrige Halshitze bis bohrende Fersenschmerzen ist einiges im Preis mit drin. Landkarte der inneren Grausamkeiten. Ok, hol sie ans Licht, die Dämonen. Ich möchte meine Geschmeidigkeit zurück.

#39

#39! Als Maike und ich mit Überlegungen zu #unszumutbarkeiten gestartet sind, sind wir immer davon ausgegangen, dass das ganze bei #18 oder so um den Dreh auch wieder endet, weil das Onkel Emma dann einfach wieder wie gewohnt aufmachen kann. Wie gewohnt wird nicht einfach geöffnet werden können, aber es wird aufgemacht in naher Zukunft. Davon gehen Maike und ich aus, so dass die aktuelle Form von #unszumutbarkeiten nicht mehr funktionieren wird und das finde ich grad richtig kacke so sehr ist mir das neue Tägliche in Fleisch und Blut übergegangen. Dabei ist es so wertvoll zu lesen, dass ich mit meinem derzeitigen Fühlen und dem „was macht die ganze Corona Sache mit mir" nicht allein da stehe. Was also tun, wenn uns das Fenster nicht mehr zur Verfügung steht? Einfach aufhören? Plan B? Andere Struktur? Maike, wie geht´s dir damit?

#40

Liebe Melanie,

geh mal mit mir zu Tag 18 zurück. Da wollte ich die EndurExperience noch erleben, weil ich über mich lernen wollte. Danke für Deinen gestrigen Fragen. Ich bin offenbar mittendrin. Hab ich im Alltagsgewühl gar nicht mehr auf dem Zettel gehabt. Something has cracked wide open since then. Mir sind die Minuten am Abend, an denen ich mich meiner Innenwelt widmen kann, wichtig geworden. Ich musste etwas schmunzeln, dass ich im Grunde also nicht nur schon herausgefunden habe, was mir wichtig ist, sondern auch, wie ich ins Fließen kommen kann (#38). Surreal bleibt die Vorstellung, dass meine Visage 24/7 aus dem Fenster des Onkel Emma schaut. Das ist wie Krieg per Joystick. Da fehlt mir die Anbindung. Wenn wir bald wieder als echte Personen in den Fenstern sichtbar sind, kann ich gut auf die Light-Pollution verzichten. Worauf ich ungern verzichten möchte, bleibt der Austausch mit Dir. Lass mich gern weiter an Deinen Gedanken teilhaben. Lesen und Schreiben tun der Seele gut.