#207

Liebe Maike,

 

das ist mal wieder alles was, wa? Jetzt musste ich mal kurz gucken, wann ich dir zu Letzt geschrieben habe. Meine Fresse, da ist einen guten Monat her. Dabei denke ich oft daran, mir einige Gedanken aus dem Hirn schreiben zu wollen, die auch teilen zu wollen. Aber irgendwie bleibt es dann oft nur bei dem Gedanken.

 

Was haben wir beide uns darauf gefreut zusammen in einer Stadt zu sein und aus dem selben Ort heraus zu arbeiten. Schön, dass ihr in BS seid und hoffentlich auch weiterhin ein stückweit mehr ankommt. Ich bin in Duisburg und darf gestehen, dass ich mich oft nach meinen eigenen 4 Wände sehne. Gefühlt bin ich da schon ewig nicht mehr gewesen. Ich weiß auch heut nicht, wann ich das nächste mal da bin.

 

Meine Mama ist gerade wirklich arg vom Schmerz geplagt und da mag ich sie und meine Schwester nicht alleine lassen. Seit Freitagabend nimmt sie ja andere Schmerzmittel und wir hoffen, das diese endlich dazu beitragen, dass sich die Schmerzsituation erträglich gestaltet. Nicht schön, überhaupt nicht schön. Die Gesamtsituation erfordert mal wieder so einiges der Kategorie „ich-weiss-nicht-wie-wo-was“ ab und ist arg kräftezehrend. Ich denke, das gilt für uns drei gleichermaßen. Meine Schwester und ich stellen uns dabei mit Bravour unser beider gegenseitiger Triggermomente und es gelingt uns mehr und mehr da konstruktiv und wohlwollend das ganze aufzudröseln. Eine Freundin hier in DU meint: wir eignen uns gerade sehr für eine Sozialstudie, also wir drei. Stimmt. Ich merke, dass wir uns zurecht rütteln insbesondere auch im Zusammenspiel was so Organisatorisches angeht und eben auch einander „Freiräume“ zu schaffen. So hab ich sehr darüber gefreut, dass meine Schwester mich des früha fragte, ob ich heut zum Sport möchte und da es tatsächlich auf meiner Agenda stand, haben wir schingelschangel wer, was, wann gemacht.

 

Die Bilder zum heutigen Brief sind in den letzten 4 Wochen entstanden und irgendwie spiegeln sie ganz gut meine Gefühlslagen. Hoch, runter, hoch, runter. Hoffnung on, Hoffnung off. Ich kanns gar nicht richtig gut in Worte fassen. Ich glaube eigentlich fest daran, dass sich alles wieder stabilisiert und das es meiner Mama irgendwann wieder besser geht und sie gewohnt unterwegs sein kann. Auf keine Hilfe im Haushalt oder Körperpflege angewiesen ist und das Krankenhausbett, was unterwegs ist zu uns, und auch die Wohnung irgendwann wieder verlässt. Dass die Therapien, also die Immuntherapie und die Schmerztherapie, einfach anschlagen.

 

Ja, und da ist dann das kleine Wort eigentlich, was mich manchmal eben auch zweifeln lässt und ich dann fürchte, dass der Krebs einfach zu fortgeschritten ist und sich das Ganze gerade als Anfang vom Ende darstellt. Nicht schön. Ich merke, wie wertvoll ein Funken Hoffnung ist und wie wichtig diese für das Leben ist. Hätte ich die Hoffnung nicht und den wirklich festen Glauben daran, dass alles gut wird. Weiß ich nicht, was ich tun würde. Das entzieht sich meiner Vorstellungskraft.

 

Ich übe mich mal wieder in? Ja in was eigentlich? Ich glaube darin zu lernen, tatsächlich Tag für Tag zu gucken, was geht. Ich übe mich im Planlosen und stelle fest, wie hilfreich manchmal auch das Wissen um einen bestimmten Zeitpunkt ist. Ich glaube mir würde es helfen zu wissen, wann ich wieder nach BS fahre. Ich schreibe bewusst, ich glaube, denn ich weiß noch nicht so genau, ob nicht vielleicht das nicht Wissen mir hilft. Es ja mal wieder ein (Lern) Prozess, in dem ich mich befinde und erfahrungsgemäß war die bisherige Kacke auch immer gut für irgendwas. Hoffnung on.

 

Apropos Kacke. Ich höre zurzeit ganz oft, wenn mir eine Person ihr Leid klagt, dass es nicht vergleichbar sei mit dem, was ich grad durchmache. Das ist so eine Sache, die ich nicht verstehe. Ich finde ja: Scheiße ist Scheiße und bleibt auch Scheiße. Da spielt es doch keine Rolle wie groß der Haufen ist. Ich vergleiche Derartiges einfach nicht. Denke ich. Wenn ein Mensch zu mir meint ihm geht es nicht gut aus welchen Gründen auch immer, dann ich stell ich das nicht in Frage oder hinterfrage, ob ich viel das Recht habe, dass es mir schlechter geht. Seltsam.

 

Morgen startet die neue Woche. Mal sehen, was sie so bringt. Ich weiß um einige Termine, die ich gerne in BS wahrnehmen wollen würde. Allen voran, die Preview vom BIFF. Nun denn schauen wir mal. Auf jeden Fall mag ich auch mal die Nacht mit Anke verbringen. Sie fehlt mir auch.

 

Auch, weil ich aus der Ferne heraus, auch oft an Euch Ben und Ingas denken darf. Ach, Spieki. Weiter geht´s and we will see.

 

Fühle dich lieb umarmt. Melanie

 

 P.S.: Beim Online stellen, sah ich du hast wohl begonnen mir zu antworten. :-) Deshalb die 207 statt 206

 

 

 

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